Seit dem 1. Februar 2024 leitet er das neu gegründete Fachgebiet ‚Materials for Additive Manufacturing‘ am Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien der Fakultät III Prozesswissenschaften an der Technischen Universität Berlin. Wir begrüßen ihn herzlich und erhalten im folgenden erste Erkenntnisse über seine Erfahrungen im Bereich Additive Fertigung und Absichten in der neuen Position.
Christian Haase studierte Maschinenbau mit der Vertiefung Wertstofftechnik und promovierte anschließend im Bereich Metallkunde und Metallphysik an der RWTH Aachen. Währenddessen erfolgten mehrere Stipendien-geförderte Forschungsaufenthalte (u.a. Monash University, Melbourne, Australien).Im Institut für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen leitete er von 2016 bis 2024 die Forschungsbereiche ‚Integrative Werkstoffsimulation‘ und ‚Werkstoffe für die Additive Fertigung‘. In dieser Zeit wurde Christian Haase in das Junge Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste aufgenommen und akquirierte eine BMBF-geförderte NanoMatFutur-Gruppe, sowie einen ERC Starting Grant.
Interview Christan Haase:
1. Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie bei der Entwicklung oder Erforschung von Materialien für die additive Fertigung im Vergleich zur konventionellen Fertigungstechnik?
Wir beschäftigen uns im Wesentlichen mit der additiven Fertigung metallischer Werkstoffe. Im Vergleich zur konventionellen Fertigung (u.a. Gießen, thermomechanische Behandlung) führen die Bedingungen bei der additiven Fertigung, z.B. Kurzzeitwechselwirkungen zwischen Laser-/Elektronenstrahl und Werkstoff, zu hochdynamischen Prozessen innerhalb der Werkstoffe. Diese Prozesse sind grundlegend für die Ausbildung der Werkstoffstrukturen auf unterschiedlichen Längenskalen ausschlaggebend, welche wiederum die Bauteileigenschaften bestimmen. Das Verständnis für die komplexen Laser-/Elektronenstrahl-Werkstoff-Interaktionen und deren präzise Beschreibung stellen noch immer eine wesentliche Herausforderung im Bereich der additiven Fertigung dar. Wenn wir mit der Bewältigung dieser Herausforderungen erfolgreich sind, können wir speziell an die Fertigungs- und Einsatzbedingungen angepasste Werkstoffe entwickeln.
2. Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsaspekte in Ihrer Forschung im Bereich Materialien für die additive Fertigung?
Nachhaltigkeitsaspekte sind derzeit im gesamten Bereich der Werkstoffforschung eines der drängendsten Themen. Sicherlich stellen die Herstellung von Eingangswerkstoffen (z.B. Metallpulver) auf Basis von Recyclingmaterial sowie die erfolgreiche und effiziente Wiederverwendung über mehrere Prozesszyklen wichtige Fragestellungen unserer Forschung in diesem Bereich dar. Im Sinne der Nachhaltigkeit muss dabei jedoch eine Betrachtung des Gesamtsystems inklusive der Bauteilauslegung, Komponentenlebenszyklen und Lieferketten erfolgen. Ich hoffe, dass es über das bestehende Netzwerk des WvSC gelingt, uns dieser interdisziplinären Aufgabe gemeinsam zu stellen.
3. Welche neuen Erkenntnisse oder Innovationen erwarten Sie von Ihrem Forschungsbereich in den nächsten Jahren?
Unsere wesentliche Aufgabe sehe ich darin, die grundlegenden Laser-/Elektronenstrahl-Werkstoff-Interaktionen zu verstehen und zu beschreiben. Hierzu setzen wir auf eine enge Verzahnung und effektive Verbindung von Experiment, Simulation und maschinellem Lernen. Auf Basis dieses Verständnisses und unter Anwendung der genannten Methoden sollen bei der additiven Fertigung auftretende Probleme vermieden und neue, AM-gerechte Werkstoffe entwickelt werden. Somit lassen sich zukünftig die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer additiv gefertigter Komponenten erhöhen.
4. Wie planen Sie, Ihre Erfahrung einzubringen, um die Forschungslandschaft an der TU Berlin und im WvSC zu bereichern?
Bei der additiven Fertigung entstehen zumeist Werkstoffstruktur und Bauteil in einem Fertigungsschritt. Somit kommt dem Werkstoffverhalten eine besondere Bedeutung zu. Ich hoffe, dass ich sowohl mit grundlegendem Werkstoffverständnis als auch mit der digitalen Werkstoffbeschreibung zur Initiierung von Verbundvorhaben, der Erweiterung der AM-Expertise als auch dem Lehr- und Fortbildungsangebot im Berliner Forschungsumfeld beitragen kann.
5. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Wissenschaft bei der Weiterentwicklung von Materialien für die additive Fertigung?
Die zielgerichtete Entwicklung von Werkstoffen für die additive Fertigung und die Weiterentwicklung dieser zur Marktreife gelingt einzig durch Einbindung und Berücksichtigung des Know-hows unserer Industriepartner. Konkret können dies zum Beispiel Prozessfenster sein, innerhalb derer eine wirtschaftlich erfolgreiche Verarbeitung möglich ist, oder die Identifizierung relevanter Anwendungsfelder. Andererseits bedarf es häufig unserer detaillierten Werkstoffanalyse und -interpretation, um aktuelle Herausforderungen bei der additiven Fertigung metallischer Komponenten zu lösen. Dies können u.a. Strategien zur Rissvermeidung in schwer verarbeitbaren Legierungen, zur reproduzierbaren Eigenschaftseinstellung und zur Identifizierung innovative Prozessführung sein.